Zugegeben: das letzte Jahr rauschte irgendwie vorbei. Ich habe wenig vom allgemeinen Trubel mitbekommen- weder in der Handarbeitszene noch sonst wo. Aber eine Sache habe ich verfolgt und mich auch via Instagram bereits dazu geäußert. Es ging in groben Zügen um das Dilemma mit den Handarbeiten.

Wer meinen Blog schon länger verfolgt, erinnert sich vielleicht, wie ich zu Themen Tierleid und Nachhaltigkeit stehe. Ich habe in der Vergangenheit schon oft über Materialien und ihren Einfluss geschrieben. Ob nun zum Thema Zero Waste und Handarbeit oder um die Frage wie fair Handarbeiten überhaupt sein können.

Nachhaltigkeit

Im folgenden Artikel habe ich meinen Gedanken ein wenig Platz eingeräumt. Das ist ein unbekanntes Territorium für mich, da ich sonst versuche sehr faktenbasiert zu schreiben und dieser Artikel einfach nur meine Sicht auf die Dinge wiedergibt. Kommt ihr am Ende zu einem anderen Ergenbis als ich, ist das ebenso fein. Schreibt mir gerne, was eure Gedanken sind. Ich bin gespannt.

Doch erst einmal von Vorne. Was ist eigentlich passiert?

Mulesing oder kein Mulesing…..

..ja, das war die Frage mit der ein Tierschutzverein versuchte aufzuräumen. (vorab: was Mulesing genau ist, könnt ihr hier auch nachlesen.)

Eine Tabelle- oder besser ein Ranking wurde erstellt. Welcher Hersteller produziert denn nachweislich mulesingfrei. Die Intention war gut, der Text sauber recherchiert und gab auch neue Denkanstöße. Und dann kam die Tabelle. Hier wurden nur einige wenige Hersteller aufgelistet und eingeordnet. Weder zeigte die Liste das Gesamtbild der Garnvertiebe, noch fand eine klare Unterscheidung in Handfärbende Betriebe (die gar nicht selbst produzieren), Vertriebe und herstellende Anbieter statt. Beim letzten Besuch der Seite habe ich die Tabelle nicht mehr gefunden, entweder bin ich blind (möglich) oder sie ist inzwischen wieder offline genommen worden (auch möglich). Aber darum soll es diesesmal nicht gehen. Ich habe mich lange mit Steffi von Feierabendfrickeleien unterhalten. Das Thema Tabelle ist damit fast durch.

Einfache Handreichungen verführen- helfen aber nicht wirklich weiter

Fast darum, weil im Nachgang der ganzen Debatte immer wieder das Feedback kam, dass viele Kundinnen dankbar waren, etwas an die Hand bekommen zu haben. Eine Liste, die ihnen ganz klar aufzeigte, welches Garn sie kaufen durften oder konnten um ihr Umweltgewissen zu beruhigen. Und wisst ihr was? Ich kann es verstehen. Es ist mühselig. Kaum denkt man, dass man das eine Material gefunden hat, tauchen neue Fragen und Überlegungen auf. Aber so ein vorgefertigtes Schreiben, nimmt einem viel ab. Und das ist ok. Wer nicht viel Zeit hat, oder es eben richtig machen möchte, ohne viel Kraft zu investieren, der darf gerne auf solche Hilfmittel zurückgreifen.

Aber, wer hier schon früher Artikel gelesen hat, weiß, dass ich kein Fan von einfachen und pauschalen Lösungsversprechen bin. Und das hat mehrere Gründe. Zum einen ist der Markt unglaublich kleinteilig. Wir sprechen hier von zig Herstellern und Vertrieben, mit hunderten von Produktserien. Ein Hersteller kann ohne Probleme das gruseligste Plaste-Garn im Sortiment haben und am anderen Ende der Produktrange liegt das Bio-fair-Co2 neutrale Supergarn. Dazwischen liegen hunderte Abstufungen. Wie ordent man so einen Produzenten nun ein- oder muss man jedes einzele Produkt einordnen? Ist es dann noch übersichtlich? Und was ist mit Handfärber*Innen, die gar keinen Einblick in die Produktionen der Garne haben und sich nur auf Label und Zertifikate verlassen müssen. Ordnet man die dann so ein, wie den Hersteller, von dem sie ihr Material beziehen? Ist das wirklich das, was wir alle wollen, wenn wir das Ziel ansteuern etwas besser zu machen?

Im Fall der Tabelle lagen zudem Hersteller auf den oberen Plätzen, deren Garne eher im mittleren bis höherpreisigen Segment angesiedelt sind. Wer sich das Garn nicht leisten kann, konnte sich kaum gutes Material im Sinne der Tabelle kaufen.

Nachhaltigkeit und Handarbeiten ein Dilemma

Das Dilemma mit den Handarbeiten

Handarbeiten ist per se nicht besser als das Kaufen von fertigen Produkten. Egal nach welchem Standart ihr gehen möchtet, an irgendeinem Punkt müssen wir alle Abstriche machen. Verzichte ich auf Tierfasern, bin ich vielleicht aus dieser Kiste fein raus, allerdings muss ich mir dann die Frage stellen, wie wird denn beispielsweise das Material für mein Baumwollgarn angebaut? Leiden dafür ganze Regionen und Arbeitende an Wassermangel und überdüngten Böden? Ist das dann wirklich so viel besser? Ist es mir das wert, oder muss ich noch weiter gehen und dann auch hier weiter Abstriche machen? Und wie sieht die Situation in den Spinnereien aus?

Ich will euch kein schlechtes Gewissen machen aber vielleicht seht ihr: es gibt keine Lösung für diese Abwägungen. Eine informierte Kaufentscheidung lässt sich schwer an vorgefertigten Listen, Tabellen oder Kaufempfehlungen festmachen. Und aus diesem Grund gibt es aus meiner Sicht kein simples richtig oder falsch- und genau das ist das große Dilemma. Es ist schlicht nicht möglich alles perfekt zu machen.

Handarbeitsdilemma

Information und Kompromisse

Falls ihr euch jetzt fragt, was ihr tun könnt, habe ich eine gute oder schlechte Nachricht für euch- je nachdem wie ihr das seht: Niemand kann euch die Entscheidung abnehmen. Ihr könnt auf Listen vertrauen, die zu bestimmten Produkten raten. Das kann sinnvoll sein, wenn ihr das Gefühl habt, dass euch das hilft und ihr nicht mehr Kraft in Recherche investieren könnt oder wollt. In dem Fall seid ihr vom Erstellenden der Liste abhängig. Je nach dem, wie transparent solche Handreichungen aufgestellt sind, habt ihr im blödesten Fall keine Einsicht.

Oder ihr informiert euch selbst. Das kostet Zeit und ist mühsam, macht euch aber unabhängiger und eröffnet euch die Möglichkeit reflektierte und informierte Entscheidungen zu treffen. Aber wo starten? Mein Tipp ist hier: fokussiert euch auf einen Bereich, der euch wichtig ist- z.B. Tierfreie und vegane Garne und lest euch in das Thema ein. Sucht nach alternativen Materialien, und geht von dort aus weiter. Macht euch schlau über die einzelnen Fasern. Lest auf verschiedenen Seiten nach und wägt dann ab, wie weit ihr gehen wollt oder auch könnt. Ihr müsst nicht perfekt sein, eurer Co2 Abdruck muss nicht gleich Null sein.

Beide Herangehensweisen haben ein dickes Pro und ein dickes Contra auf ihren Seiten. Sie gegeneinander aufwägen ist eine individuelle Entscheidung- und die kann euch kein anderer abnehmen. Schlussendlich muss die Wahl für Recherche oder für das Vertrauen auf eine andere Person so sehr zum eignen Leben passen, wie die bewusste Entscheidung für einen ressourchenschonenden oder nachhaltigeren Umgang mit unserem Hobby.

Handarbeitsdilemma

1 Comment on Das Dilemma mit den Handarbeiten

  1. Hi danke für deinen Kommentar zu diesem Thema. Ich finde auch, dass man nicht perfekt sein muss und auch kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man mal nicht das allerbeste Garn kauft und vorher 5 Stunden recherchiert hat. Ich denke jeder oder fast jeder kauft hin und wieder Kleidung ohne vorher zu recherchieren, zumal man bei Kleidung die Wollherstellung selten herausfinden kann. Daher ist in meinen Augen Handarbeit immer noch weitaus besser, weil es mehr Informationen gibt und man bewusster Wolle kauft. Schließlich steckt in jedem Projekt viel Arbeit und da denkt man oft mehr drüber nach, als wenn man mal schnell in ein Geschäft geht und einen Pullover kauft, weil einem der gerade gefällt.
    Für mich habe ich derzeit Recycling Wolle entdeckt und freue mich mein erstes Projekt damit fertigzustellen. 🙂

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