Wusstet ihr schon, dass lokale Schäfer ihre Wolle entsorgen lassen müssen, weil sie nicht weiß oder weich genug ist? Dass sie, sollten sie ihre Wolle wirklich verkaufen können kaum etwas dafür bekommen? Während Wolle das gefeierte Naturprodukt ist und einen regelrechten Boom erlebt, müssen Schäfer ihre Wolle entsorgen oder zu einem Preis abgeben, der noch nicht einmal die Kosten für die Schur abdeckt.

Ich beschäftige mich nun schon eine Weile intensiver mit den Bedingungen der Schafhaltung. Ich habe mich mit Mulesing befasst und mir Wissen über die verschiedenen Bio- und Qualitätssiegel angelesen. Während ich all diese Infos zusammengesammelt habe, hat sich mein eigenes Konsummuster stark verändert. Inzwischen kaufe ich bewusster ein, informiere mich über die Herkunft und versuche aktiv meinen Vorrat zu reduzieren.

Vor einigen Tagen bin ich auf einen Artikel bei reBlog gestoßen, der mich wirklich zum Nachdenken angeregt hat.

Das sind die Vorteile regionalerr Fasern- mein gehäkeltes Herz

Ich will mit diesem Beitrag keineswegs anprangern, wenn sich jemand nicht bio oder fair produziertes Garn leisten kann. Genauso wenig will ich motzen, wenn man nicht nur lokale Garne im Schrank hat. (das hab ich übrigens auch nicht) Der Beitrag soll einfach nur ein bisschen zum Nachdenken anregen und das Thema lokale Materialien ansprechen.

Wolle- die Wunderfaser und Qualitätsgarant

„100% Wolle“ wenn ihr das auf der Banderole oder auf dem Kleidungsetikett lest, ist das meist ein Qualitätsmerkmal. Wollfasern haben tolle Eigenschaften. Sie sind unter anderem temperaturausgleichend und (vermeindlich) Nachhaltig. Alle positiven Eigenschaften von Wollfasern könnt ihr auch hier nochmal nachlesen. Kein Wunder also, dass Wolltextilien gerade einen Boom erleben. Und langsam scheint auch das Thema Mulesing in den Köpfen der Endverbraucher anzukommen.

Alles in Butter also? Leider nein, denn es gibt noch viel, was bei der Wollgewinnung und vor allem im Handel von Rohstoffen schief läuft.

In die Weiterverarbeitung schaffen es nämlich nur Fasern die bestimmten Anforderungen erfüllen. So müssen sie möglichst weiß und weich sein um eine gleichbleibende Qualität der Endprodukte zu gewährleisten. Alles was nicht diesen strengen Kriterien entspricht, lässt sich nur sehr günstig oder gar nicht verkaufen. Das ist für die Schafzüchter und Schäfer in Deutschland ein Problem, denn die Schafe sind da und müssen geschoren werden. So wird die Schur zu einem Kostenfaktor, der sich durch den Verkauf der Fasern nicht wieder hereinholen lässt. Dabei besteht aktuell Bedarf an Wollfasern, ob nun in der Kleidungs- oder Textilindustrie.

Der Preis der Wolle- Folgen für die Tierhaltung

In Deutschland werden reichlich Schafe gehalten. Oftmals sind sie in der Landschaftspflege eingesetzt oder sie dienen als Fleischlieferanten. Aber auch diese Tiere müssen geschoren werden. Die Wolle von einigen Rassen ist nicht weich und wäre somit nicht für Kleidung geeignet, andere ist nicht weiß genug um immer gleichbleibende Farbergebnisse gewährleisten zu können. Diese Punkte schmälern den Preis dieser Fasern. Zudem konkurrieren lokale Hersteller mit der Massentierhaltung und dem geringen Lohnniveau in anderen Ländern. Hinzu kommen die günstigen synthetischen Alternativen.

Dabei wäre es wichtig, die Schafhaltung bei uns zu erhalten. Schafe sind wichtig, da sie einen unserer wichtigsten Naturräume pflegen. In ihrem Fell tragen sie Pflanzensamen mit und sorgen so für eine besondere Artenvielfalt auf unseren Wiesen. Wanderschäfer haben aber einen schweren Stand. Die Versiegelung von Bodenflächen oder die Intensive Nutzung als Ackergrund erschwert es den Schäfern ihre Herden von Gebiet zu Gebiet zu führen.

Um der Nachfrage an billigen und kuschelweichen Wollfasern gerecht zu werden, reicht jedoch die regionale Schafhaltung nicht aus. Stattdessen werden Tonnen von Wolle aus leistungsorierntierten Zuchten bezochen. Die massenhafte Tierhaltung und die Gewinnoptimierung jedes einzelnen Tieres ist eines der Hauptprobleme der Faser. Merinoschafe sind oft so überzüchtet, dass sie ohne Schur kollabieren würden. Und auch die Zeit, die jedes einzelne Tier für die Schur und Pflege zugestanden bekommt ist minimal. Mulesing ist zwar inzwischen ein bekanntes und beachtetes Problem in der Schafzucht, aber in der Summe nur ein Teil eines viel größeren Problemkomplexes.

Wollfasern aus der D/A/Ch Region sind aus verschiedenen Gründen gegenüber der Konkurrenz im Nachteil. Schon beim Vergleich der Lohnniveaus der Herkunftsländer fällt auf, dass regionale Produkte gar nicht so günstig produzierbar sind. Dieser höhere Grundpreis schlägt sich natürlich später auch in den Kosten für das Ausgangsmaterial und später im Endprodukt nieder.

Hinzu kommt, dass Schaffasern von hier heimischen Tieren nicht immer so kuschelweich sind, wie beispielsweise von australischen Schafen. Das lässt sich Primär auf unsere Klimazone zurückführen. Die Temperaturschwankungen in unserer klimatische Region bedarf wiederstandsfähigerer Tiere. Diese robustere Natur spiegelt sich auch in den Fasern wieder. Sie können leichter kratzen als die flauschweiche Merinowolle aus südlicheren Ländern.

Das sind die Vorteile regionalerr Fasern- mein gehäkeltes Herz

Regional ist Trend- auch bei unserer Kleidung und Handstrickgarnen?

Was spricht denn aber nun für regionale Fasern? Zum einen stellt sich bei regionalen Fasern nicht die Mulesing-Frage, denn deutsche Merinofasern sind garantiert mulesingfrei. Hinzu kommt, dass regionale Wolle nicht queer über den Globus gekarrt werden muss um bei euch als Endverbraucher zu landen. Somit belasten diese Fasern die Umwelt weniger stark.  Ein weiteres Argument ist, dass ihr somit direkt den kleinen Erzeugern helfen könnt. Oftmals entsorgen Schäfer ihre Wolle leichter, als sie zum Verkauf anzubieten.

Regionale Produkte kosten unterm Strich mehr, als Importware. Das kann sich sicher nicht jeder leisten, das ist mir vollkommen bewusst. Allerdings kommen diese höreren Kosten auch den Produzenten und Handwerkern zu Gute, die ihre Zeit und Arbeitskraft in die Produkte investiert haben und schlussendlich ist damit auch den lokalen Erzeugern geholfen.

Obendrein bieten lokale Erzeugnisse eine neue Vielfalt an, die bisher kaum im Kleidungs- oder Handstrickbereich zu finden ist. Coburger Fuchsschafe liefern beispielsweise Fasern mit einer leicht rot-bräunlichen Färbung. Juraschafe hingegen haben ein besonders weiches Unterhaar, welches fast so weich wie Merinowolle ist. Es lohnt sich also die Zeit zu investieren und ein bisschen nach Verwertungsgemeinschaften und Händlern Ausschau zu halten, die auf ein regionales Angebot zurückgreifen.

Mein Fazit: stärker regional verfügbare Fasern einbinden

Ich habe vor ein paar Tagen einen Beitrag dazu bei Instagram verfasst und mitten im Schreiben ist mir etwas aufgefallen. Zwar macht es mich aufrichtig betroffen das alles zu lesen, aber ich sollte besser vor meiner eigenen Türe kehren. Ich kaufe zwar vermehrt GOTS und fair produzierte Wolle, aber ich schätze und nutze für meine eigenen Designs dennoch Garn gleichbleibender Farb- und Materialqualität. Dabei kann ich Spinnen und Färben und könnte so zumindest einen Teil meines Bedarfs noch stärker nach fairen Bedingungen ausrichten.

Das sind die Vorteile regionalerr Fasern- mein gehäkeltes Herz

Ich will ehrlich zu euch sein: Ich mag Garne von gleichbleibender Qualität und Färbung. Es erleichtert das designen von Amigurumi und Anleitungen enorm- und es ist einfach schön. Meine handgesponnenen Garne sind längst nicht so gleichmäßig oder entspannt. Für Dochtgarne fehlt mir beispielsweise jedes Talent und wirklich gut kann ich eh nur dünne Garne spinnen. Von daher werde ich sicher nicht vollständig auf handgesponnene Garne umsteigen.Und trotzdem möchte ich zukünftig stärker selbstgemachte Garne in mein Hobby einbinden. Es wird mich allerdings eine Menge mehr Zeit kosten.

Eine zweite Möglichkeit, über die ich gerne mehr erfahren möchte ist, nach Initiativen zu suchen, die auch Produkte aus lokaler Tierhaltung anbieten.

Wenn ihr mehr über Schafhaltung und das Leben eines Wanderschäfers wissen möchtet, dann schaut doch auch einmal auf dem Kanal von Sven de Fries vorbei. Bei ihm könnt ihr ein bisschen hinter die Kulissen schauen.

Wie steht ihr zum Thema? Habt ihr euch schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viel Wolle wirklich wert ist?

Das sind die Vorteile regionalerr Fasern- mein gehäkeltes Herz

Die Bilder in diesem Beitrag habe ich von Pexels. Sie sind dort unter einer CC0 Lizenz veröffentlicht. (Ich habe leider noch immer keine schönen Schaf-Fotos)

10 Comments on Was kostet Wolle, oder wie fair kann Handarbeit sein

  1. Nachhaltigkeit und Wolle ist ein wichtiges Thema, finde ich. Toll, dass du das in deinem Blog aufgreifst. Letztes Jahr bin ich über ein unterstützenswertes Projekt der Firma Opal gestolpert.

    Zur Unterstützung der Wanderschäferei auf der schwäbischen Alb kann man über Opal eine Schafpatenschaft abschließen.

    https://www.sockenwolle.de/de/schafpaten-projekt/uebersicht/

    Auf der Seite gibt es u.a. auch Infos über deutsche Merinowolle.

    Viele Grüße,
    Sibylle

    • Hallo Sibylle,
      danke für das Lob und den tollen Link zur Schafpatenschaft.
      Ich werde mich in den nächsten Wochen und Monaten nochmal mehr und vertiefend einlesen, welche möglichkeiten es so gibt um regionale Projekte zu unterstützen.

      Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche!
      Jasmin

  2. Liebe Jasmin,
    ich bin über deine Story bei Instagram auf dich und deinen wirklich niedlich-schönen Blog gestoßen- wow, so viel Liebe für deine Designs und Fotos begeistrn mich.
    Danke dass du so komplizierte Themen aufgreifst und so gut und nachvollziehbar erklärst.

    Mach bitte genau so weiter!
    Emma

    • Liebe Emma,
      danke dir für das schöne Lob. Es freut mich, dass dir mein Blog und meine Erklär-Bär-Beiträge so gut gefallen. Hab noch viel Spaß beim Stöbern!

  3. Es fehlt an stylischen Ideen für die heimische Wolle. Viele Produkte sehen aus wie aus Omas Haushalt für Rheumatische Beschwerden angeschafft.

    Ja, auch wir entsorgen jedes Jahr eine groooooße Menge Wolle. Wir erhalten Biotopflächen und Solling Wiesentäler durch unsere Schafe und Ziegen. Die Schafe gehören zwei vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen an: Skudden und Weiße Gehörnte Heidschnucken. Beide mit vergleichsweise harter Wolle und die Skudden auch noch in schwarz, grau oder schwarzbraun. Die Schur ist übrigens nicht nur wegen der Kosten und der Entsorgung ein Problem. Immer weniger Scherer reisen durchs Land. Es wird also zunehmend schwieriger die Schafhaltung zu erhalten. Biologische Vielfalt und Agrobiodiversität hängen so auch ein Stück mit am Wollmarkt.

    Ideen und Anregungen sind gesucht. „Vegetarische Schaffelle“ beispielsweise. Also Kurioses, Seltenes, Exklusives. Etwas, was nicht durch den Neuseeländischen Markt überschwemmt ist.

    Vielen Dank für den Blogartikel. Es freut uns, dass Du Dir Gedanken zu dem Thema machst und diese publizierst

    • vielen lieben Dank für deinen Kommentar und vor allem für die Hintergründe und Infos aus der Sicht einer Schafhalterin. Ich sehe es ähnlich wie du- heimischer Schafwolle haftet noch immer ein schwieriges Immage an- viele Fasern kommen nicht an die Puderweiche Flauschigkeit von Austral- oder Neuseelandmerino heran. Ich finde es schade, denn gerade heimische Fasern haben großes Potential und selbst wem sie auf der Haut zu kratzig sind, der findet noch genug andere Einsatzmöglichkeiten.

      Liebe Grüße
      Jasmin

  4. Ich fand deinen Eintrag auch interessant und hätte sogar eine lösung für dieses Problem.
    Aber der Reihe nach.
    Ich selbst halte Angoras und verspinne deren Fasern mit Europäischer Schafswolle die sonst kratziger ist aber für stabilität im Garn sorgt.
    Und ich habe beschlossen nur noch handgesponnenes zu verstricken da es weicher ist als gekauftes und weil ich diese mafiöse Wollindustrie nicht unterstütze.
    Ein Schafhalter bekommt nichteinmal einen euro pro Kilo und die Wolle in den Märkten kostet meist aufs Kilo gerechnet um die 100 euro, sogar die kratzigere Filzwolle wird so teuer verkauft.
    Ein guter Weg wäre es, wenn wirklich ein Handarbeitsladen oder gar eine Kette mit vielen Geschäftslokalen exklusivverträge mit Schäfern hätte und damit auch Preislich der Konkurrenz von NichtEULändern druck macht.
    So könnten sich die Schafhaltung wieder Lohnen, jedoch liegt die Schuld nicht nur bei den Geschäften.
    Schafhalter könnten versuchen selbst zu scheren und ihre Wolle qualitativ verbessern. Die Wolle lässt sich nämlich in wenigen Generationen verbessern wenn man darauf züchten würde, jedoch scheinen viele dies nicht zu tun weil sie sich nicht auskennen oder weil sie die Rasse so belassen möchten wie sie ist.
    Letzteres ist unverständlich, denn die Rassen wurden über teils Jahrhunderte gezüchtet um dem Menschen immer mehr zu nutzen und wenn man dann meint sie nicht weiter entwickeln zu dürfen ist das wie ein Schuss ins eigene Bein.
    Als kleines Beispiel das ich bei uns selbst erlebt habe:
    Die Bäuerin um die ecke also nur 500m von uns hält Schafe und gab mir fürs Helfen bei der Schur, gratis Wolle mit und meinte es wäre wirklich tolle weiche wolle und schade drum. Gewaschen und Kardiert war sie dann ferig die Drahtbürste von wolle die man wohl lieber Strafgefangenen anziehen würde als sie selbst zu verstricken. Die Wolle war schon vorher grob jedoch hoffte ich noch innigst sie verbessern zu können. Ich benutze sie jetzt als füllmaterial für Kissen, Decken und Co.
    Dies so zu meiner Wenigkeit
    MfG
    Marcin

    • Liebe Marcin, danke für deinen ausführlichen Kommentar. Ich stimme dir zu, es gäbe an vielen Ecken und Enden Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Aktuell sehe ich dass Problem aber darin, dass es schlicht nicht das nötige Interesse seitens der Politik, der Wirtschaft oder der Endverbraucher gibt. Und auch wenn man Fasern verfeinern könnte, hängt die Faserbeschaffenheit ja auch mit den klimatischen Bedingungen vor Ort zusammen. Aufgrund des wechselhaften Wetters ist es nicht ohne Probleme möglich, Schafen immer feinere, weichere und langsam wachsendere Wolle an den Leib zu züchten- dann müssten sie über die harten kalten und wechselhaften Herbst- und Wintermonaten künstlich gewärmt werden- ob das am Ende so sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Aber auch dann gibt es viele Schafrassen, die vielleicht nicht Wölkchenweiche Schmusewolle bieten, sondern angenehme 20-25 Mic. Da sind dann aber wieder Halter, Industrie und Konsument gefragt. Merino ist z.B. Goldstandart was die Textilindustrie angeht- von Juraschafen, Rhönschafen und Fuchsschafen liest man eher selten- und wenn dann nur im nebulösen „schurwolle“-Anteil.

      Danke nochmal, dass du dir so viel zeit genommen hast. über soetwas freue ich mich immer besonders:-)

  5. Hallo zusammen . Ich bin Handspinnerin aus Leidenschaft und arbeite natürlich auch gerne mit besagten wölkchenweichen Materialien .Aber seit einiger Zeit habe ich den regionalen Markt entdeckt und erfahre immer mehr Zuspruch von der handarbeitenden Bevölkerung . Man kennt die Tiere , weiss wo sie im Sommer auf der Alm stehn und bei wem sie im Winter zu Hause sind . Es ist sehr schön so viel Begeisterung und Anerkennung zu erfahren . Ich werde ganz sicher der heimischen Wolle und den „Fans“ treu bleiben .

    • Hallo liebe Corinna,
      danke für deinen Kommentar. Ich finde regionale Fasern auch genau aus diesem Gesichtspunkt super spannend und wichtig. Wir haben so tolle Tiere und einen so hohen Standart in der Tierhaltung, dass regionale Fasern auch aus Tierschutzsicht so herrlich entspannt sind. ich muss mir als Endverbraucher nicht die Frage stellen, ob es den Tieren gut geht, sondern habe eine viel größere Sicherheit, dass alles Überwacht und kontrolliert ist. Das ist klasse!

      Liebe Grüße
      Jasmin

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