Heute komme ich mal zum Kernbereich meines kleinen Blogs: dem Häkeln. In den letzten Jahren schwemmten immer mehr Häkelkleidungsstücke in die Modeläden von bekannten Fashion-Marken. Aber wer stellt die Teile eigentlich her oder gilt: gehäkelte Stücke sind immer Handarbeit?
Bei Beiträgen der MythBuster-Serie gehe ich immer mal verschiedenen Handarbeitsmythen auf den Grund und schaue, was wirklich dran ist und wo diese Aussagen ihren Ursprung haben. Da ich ja schon in der Vergangenheit einige Material- und Hintergrundbeiträge geschrieben habe, verlinke ich euch die einfach an passenden Stellen für mehr Infos.
Mythos: Gehäkelte Stücke sind immer Handarbeit
Es gibt Strickmaschinen – in allen möglichen Größen und Formen – und auch Preiskategorien. Angefangen bei den runden Kurbelmaschinen (wie z.B. die von Addi) bis hin zu den richtig komplexen Teilen, wie dieser hier.
Strick lässt sich also recht problemlos maschinell herstellen. Aber wie sieht das beim Häkeln aus?
Bevor ich weiter in die Häkel-Maschinen-Thematik eintauche, gibt es mal wieder einen kleinen Exkurs vorab. Denn um zu verstehen, warum die Sachlage zwischen Stricken und Häkeln unterschiedlich ausfällt, müssen wir uns die Techniken anschauen.
Einen ziemlich umfassenden Artikel dazu habe ich hier für euch, aber kurz zusammengefasst:
Beim Stricken handelt es sich um eine Schlaufentechnik, bei der die Schlaufen während des Strickvorgangs immer in ihrer relativen Position verbleiben. Das gefertigte Textil ist zwar flexibel, die Maschen werden aber durch ihre Position auf der Stricknadel stabil gehalten. Damit ist unterm Strich recht wenig Bewegung nötig, um ein Strickstück zu fertigen. Auch der Vorgang, eine Schlaufe zu „stricken“, ist relativ simpel und lässt sich daher gut maschinell reproduzieren.
Anders sieht die Sache beim Häkeln aus. Hier sind nicht alle Maschen eines Textils stabilisiert, sondern jeder Stich und jede Masche muss nacheinander ausgeführt werden. Dieser Prozess ist durch menschliche Hand-Augen-Koordination zwar relativ einfach auszuführen, für Maschinen aber bisher nicht machbar.
Busted! Busted? Gehäkelte Stücke sind immer Handarbeit – zumindest bis jetzt
Aufgrund der Bewegungskomplexität beim Häkeln war es bisher nicht möglich, den Prozess zu automatisieren oder einer Maschine beizubringen, wie sie Häkeltextilien herstellt. Daher sind alle Stücke, die ihr in Läden kaufen könnt, Handarbeit.
Irgendwo hat ein Mensch das niedliche Häkeltop von Hand und in stundenlanger Arbeit gefertigt und dafür ziemlich sicher viel zu wenig Geld bekommen. (Das Bild, das gleich kommt ist eine CC0 Lizenz)
ABER… in diesem Jahr kamen zwei Forschende der Hochschule Bielefeld mit ihrer Entwicklung an die Öffentlichkeit. Sie haben eine Häkelmaschine gebaut und programmiert und können damit gehäkelte Strukturen fertigen lassen. Bisher (Stand Oktober 2024) habe ich nur ein paar Artikel (wie diesen hier, auf der Seite der Hochschule selbst) basierend auf Pressemitteilungen gefunden, aber das Ganze klingt definitiv spannend. (Jetzt hier bitte einen Witz zur Bielefeld-Verschwörung denken.) Vielleicht gibt es dann irgendwann maschinell gehäkelte Textilien. Ob ich das nun gut oder schlecht finden soll, weiß ich allerdings noch nicht so richtig.
Woher kommt der „Mythos“, dass Gehäkeltes immer Handarbeit ist?
Tatsächlich gibt es schon eine Weile eine ziemlich coole Aufklärungswelle, ausgehend von der Handarbeits-Community, die darauf aufmerksam macht. Und aktuell ist das ja nicht nur ein Mythos, sondern ein Fakt. Es gibt keine Häkelmaschine, die Kleidungsstücke für große Modemarken herstellt.
Der Umkehrschluss fällt damit aber ziemlich konsumkritisch aus: Da alles Handarbeit ist, sollten sich Konsument*innen fragen, ob es wirklich so eine gute Entscheidung ist, das Häkeltop für 10 € vom Super-Fast-Fashion-Online-Shop zu kaufen.
Wohin die Reise mit der neuentwickelten Häkelmaschine geht, ist auch noch nicht absehbar – vielleicht gibt es bald Häkelkleidung made by Maschine – oder eben auch nicht, weil es billiger bleibt, Menschen in Handarbeit Kleidung fertigen zu lassen.
Habt ihr schon von der Neuentwicklung der Uni Bielefeld gehört? Und was denkt ihr darüber?